Bericht vom 26. Pfingsttreffen 2004
Ein freudiges Wiedersehen mit heimatlichen Erinnerungen
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Bulkeser feierten ihr 26. Pfingsttreffen in ihrer Patenstadt
Kirchheim/Teck
Kirchheim/Teck. Erlebnisreiche und unvergessliche
Pfingsttage bei herrlichem Wetter in unserer gastfreundlichen
Patenstadt belohnten die zum Teil weit angereisten Teilnehmer aus
Deutschland und Österreich.
Bereits am Freitag Abend trafen die ersten Gäste im Hotel „Zum
Fuchsen“ ein. Im Laufe des Samstags kamen sie aus Wien, Bielefeld,
Hagen, Nürnberg, München und anderen Teilen Deutschlands. Am
Samstagnachmittag war vor allem die Heimatstube, die Nikolaus Wahl mit
Gattin geöffnet hatte, der Treffpunkt. Am Abend gab es ein gemütliches
Beisammensein der angereisten und ortsansässigen Bulkeser im Hotel
„Zum Fuchsen“. Unter den bereits 46 Anwesenden waren die Jahrgänge
1929 und 1930 am stärksten vertreten, sie feierten ihren 75.
Geburtstag bzw. ihre „Diamantene Konfirmation“.
Am Sonntag waren bis zum Festgottesdienst um 10.00 Uhr schon über 100
Teilnehmer eingetroffen. Prediger Karl Weber, ein überlebendes
Bulkeser Lagerkind, betonte neben der Pfingstbotschaft vor allem unser
schweres Schicksal nach Kriegsende und in Dankbarkeit die nun schon
fast sechs Jahrzehnte währende Zeit in Frieden und Freiheit in
unseren neuen Heimatländern. Den Abschluss des Gottesdienstes bildete
die „Diamantene Konfirmation“ des Jahrgangs 1930, dem letzten, der
in unserer Kirche in Bulkes konfirmiert wurde. Dabei stellte sich
heraus, dass auch unsere beiden anwesenden Bielefelder KLV-Kinder,
Herbert Meyer und Günter Linke, vor 60 Jahren konfirmiert wurden.
Selbstverständlich wurden sie mit unseren fünf „Diamantenen
Konfirmandinnen und vier Konfirmanden“ auf die Bühne gebeten und
mit Urkunden geehrt. Mit bewegenden und wehmütigen Worten wurde dabei
auch an die bereits Verstorbenen des Jahrgangs gedacht.
Nach einer kurzen Pause begann der Festakt. Dabei zeigte die noch nie
da gewesene hochkarätige Präsenz der Vertreter der Patenstadt, welch
hohe Wertschätzung den Patenkindern entgegengebracht wurde. Neben
mehreren Mitgliedern des Stadtrates mit Hauptamtsleiter Leo Klöhn
waren sowohl die neu gewählte Oberbürgermeisterin Angelika
Matt-Heidecker als auch ihre beiden Vorgänger, Peter Jakob und Werner
Hauser, beide mit Gattinen, anwesend.
Als weiterer willkommener Ehrengast gab uns der Geschäftsführende
Bundesvorsitzende der Donauschwaben und Vorsitzende des Vereins
„Haus der Donauschwaben“ in Sindelfingen, Otto Welker, die Ehre.
Der Vorsitzende des Bulkeser Heimatausschusses, Franz Jung, eröffnete
die Festveranstaltung und gab seiner Freude Ausdruck über die
zahlreich erschienenen Teilnehmer und die viele Prominenz. Er
erinnerte an die Bulkeser Männer der ersten Stunde nach der
Vertreibung, u. a. an Jakob Engel und Karl Mahler, die Organisatoren
des ersten Bulkeser Pfingsttreffens im Jahre 1954 in Kirchheim/Teck
vor 50 Jahren waren. Er würdigte dieses Jubiläumstreffen mit großem
Dank an die Vertreter unserer Patenstadt.
Die neue Oberbürgermeisterin Angelika Matt-Heidecker betonte in ihren
wohltuenden Grußworten, dass man Bewohner ganzer Dörfer vertreiben,
aber ihre Gemeinschaft nicht auflösen kann. Mit dem Zitat von Jean
Paul: „Erinnerung ist das einzige Paradies, woraus wir nicht
vertrieben werden können“ erfasste sie die Gefühle der Festgäste
und mit der Feststellung, dass man eine zweite Heimat annehmen kann,
ohne die erste zeitlebens zu vergessen, sprach sie aus dem Herzen der
Bulkeser. Sie bezeichnete die gelungene Integration der
Heimatvertriebenen als eine der großen Leistungen im
Nachkriegsdeutschland und stellte sich voll und ganz hinter die
Patenschaft der Stadt Kirchheim für die Bulkeser. Die Freiwaldauer
und die Bulkeser Heimatstube seien eine Bereicherung des
Museumsbestandes und stellen jeweils ein Kleinod ostdeutscher Kultur
in den Mauern der Stadt Kirschheim dar.
Der Vertreter der Landsmannschaft und des Hauses der Donauschwaben,
Otto Welker, überbrachte die Grüße des Staatssekretärs Heribert
Rech, des Bundesvorsitzenden Hans Supritz und des Stellvertretenden
Bundesvorsitzenden Josef Jerger. Er erinnerte an das schwere Leid der
Donauschwaben und an die Hilfsbereitschaft der heimischen Bevölkerung
bei der Aufnahme und Integration der Heimatvertriebenen. Ganz
besonders herzlich dankte er im Namen der Weltfamilie der
Donauschwaben den Oberbürgermeistern, den Gemeinderäten und der Bürgerschaft
unserer Patenstadt Kirchheim für die Patenschaft der Bulkeser
Patenkinder.
Karl Weber vom Bulkeser Heimatausschuss informierte die Festteilnehmer
über die aktuelle Situation der Donauschwaben und der
Heimatortsgemeinschaft Bulkes. Mit dem Blick auf die in den letzten 15
Jahren entstandene Dokumentationsreihe mit acht Bänden und 5000
Seiten über den Völkermord an den Donauschwaben des vormaligen
Jugoslawien sprach er seine Hoffnung aus, „dass wir nicht ein
zweites Mal vertrieben werden, nämlich diesmal aus der
geschichtlichen Erinnerung“. Mit dem Aussterben der letzten
Generation, die die alte Heimat noch bewusst erlebt hat, gehe die
300-jährige Geschichte der Donauschwaben ihrem Ende entgegen. Er
zeigte sich skeptisch, ob die letzten Zeitzeugen angesichts der
bereits erfolgten bedingungslosen Aufnahme einiger Vertreiberländer
in die EU auch nur eine moralische Wiedergutmachung erfahren werden.
Zum Abschluss der Festveranstaltung ergriff der
Heimatausschussvorsitzende Franz Jung die Gelegenheit zu Worten des
Dankes an alle, die am Zustandekommen des Treffens und den
Veranstaltungen mitwirkten. Besonderen Dank galt den jeweiligen Oberbürgermeistern,
dem verstorbenen Franz Kröning, den Anwesenden Werner Hauser, Peter
Jakob und Angelika Matt-Heidecker sowie Amtsleiter Leo Klöhn für die
nun schon 38-jährige gelebte und für uns Bulkeser so wohltuend
erlebte Patenschaft. Er bat sie zusammen mit Otto Welker auf die Bühne
und ehrte sie in seiner menschlich-verbindlichen Art mit Wein und
Blumengeschenken.
Das Mittagessen fand diesmal wieder im übersichtlichen Festsaal statt
und bot für die nun vollzähligen Festgäste gleichzeitig die
Gelegenheit, sich untereinander zu begrüßen und viel miteinander zu
erzählen. Das Mittagessen und der zeitliche Ablauf waren diesmal
zufriedenstellend.
Bei herrlichem Wetter fanden sich rund 70 Festgäste an dem von
Magdalena Harfmann bestens
gepflegten Grün am Bulkeser Gedenkstein auf dem „Alten Friedhof“
zur Totenehrung ein. Nach dem Bläser-Duo mit „Ich bete an die Macht
der Liebe“ gedachte Karl Weber aus Fußgönheim mit ehrenden Worten
den 975 gewaltsam umgekommenen Bulkeser Toten. Unter den Klängen
„Ich hatt’ einen Kameraden“ erfolgte die Kranzniederlegung durch
Franz Jung und Magdalena Harfmann. Zum Abschied sprach Prediger Karl
Weber aus Karlsruhe Gebete zum Gedenken unserer Lieben.
Auf dem Rückweg ging es in die diesmal von Karl Elicker geöffnete
und gehütete Heimatstube. Hier wurden die Erinnerungen an unser
unvergessenes Bulkes besonders wach. Angesichts so vieler Heimatbilder
und Erinnerungsstücke gingen viele Gedanken an die schöne Jugendzeit
zurück, wobei einige Tränen nicht unterdrückt werden konnten.
Den Abschluss bildete dann ab 16.00 Uhr in der Stadthalle das
gesellige Beisammensein mit Tanz. Hier war das fortgeschrittene Alter
der Festteilnehmer nicht zu übersehen. Obwohl die vertrauten Klänge
der Musik, die unser Bulkeser Vollblutmusiker Filipp Koch gekonnt mit
der Geige immer wieder bereicherte, dazu einluden, das Tanzbein zu
schwingen, konnten einige ihren Gefühlen wegen körperlichen
Beschwerden keinen Ausdruck verleihen.
Aber sie hatten um so mehr Zeit miteinander zu erzählen.
Für eine willkommene Einlage sorgten einige Sangesfreudige,
die sich wieder spontan zu einem Chor zusammenfanden, mit heimatlichen
Weisen.
Etwa ab 18.00 Uhr begann das Abschiednehmen, viele Hände wurden geschüttelt,
manch Auge wurde nass, nach letzten Umarmungen wurde die Heimreise
angetreten. Sichtbar leerer wurde es, als der Bus mit den Karlruher
und Pfälzer Teilnehmern zum Aufbruch rief. Die wenigen nimmermüden
Tanzfreudigen schafften es abwechselnd in Paaren und als Tanzkreis bis
20.30 Uhr, bis auch sie die „Waffen streckten“. Die letzten waren
die Ortsansässigen und die Weitgereisten (sie blieben noch eine
Nacht), welche die Stadthalle verließen.
Eines der wohl bewegendsten Treffen war zu Ende. Mit einer solchen
Teilnehmerzahl hatte kaum jemand gerechnet. Obwohl die große Bulkeser
Familie merklich kleiner geworden ist, ist die Gemeinschaft
zusammengerückt, sie ist noch inniger geworden als bisher. Wohl alle
waren froh, noch einmal dabei gewesen zu sein. In unserem Alter ist es
für jeden fraglich, ob er in zwei Jahren noch einmal dabei sein kann.
Für einige war es möglicherweise die letzte Teilnahme. Aber für
alle, die dabei waren, wird die Erinnerung an dieses ach so
heimatliche Beisammensein noch lange wach bleiben.
Das Ende ist, ob wir es eingestehen wollen oder nicht, nahe
herbeigekommen. Möge unser Herrgott unsere noch bestehende
Gemeinschaft auch auf ihrer letzten Wegstrecke beschützen!
Zum Abschluss sei hier ein unvergängliches Gedicht von Hans Weber
(Dingese Hans) in Bulkeser Mundart wiedergegeben, welches er nach
einem Heimattreffen verfasst hat.
Karl Weber
No’m Treffe
von
Hans Weber
Ich war dehaam in Bulkes widdr,
Jetz tut devun es Herz mr weh,
Des Widdrsiehn steckt in de Gliedr,
Wie immr ich mich wend un dreh.
In Kirchheim, unsrm Patestädtche,
War ich halt mol so richtich froh,
Des steht jetz uff meim schenschte Blättche,
So dass ich Haamweh han deno!
Kumrade aus de scheene Jugnd,
Han ich gedrickt so warm die Hand,
Un gsiehn: noch immer lebt die Tugnd,
Wie mol dehaam im Heimatland!
Vun Mol zu Mol – kann`s net vehehle,
Fehlt die, not des, am End aa der,
Uf aamol wer aa ich mol fehle,
Doch wichtich is: es kummt noch wer!
Weil Bulkes soll un därf net sterwe,
Nie unnr in me Truwl gehn,
Muss weitr lewe, dass sei Erwe,
Als Zeige vor de Welt bestehn!
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