Gedenktag:
60 Jahre nach Flucht und Austreibung
Bulkeser
Gedenktafel an der Stadtmauer am Donauschwabenufer in Ulm feierlich
enthüllt
Für
fast 100 Landsleute (davon 35 Bulkeser) aus Bulkes und den beiden
Banater Nachbarorten Jabuka und Glogon, ging am 21. Mai 2005 ein
langgehegter Wunsch zu Ehren ihrer Ahnen und ihrer 1944 bis 1948
umgekommenen Landsleute in Erfüllung. In einer
denkwürdigen Feierstunde an diesem geschichtsträchtigen Ort,
war es für die überwiegend betagten Landsleute ein bewegendes
Erlebnis.
Die
nicht erwartete Teilnahme und Ansprache des Ulmer Oberbürgermeister
Ivo Gönner gab dieser Veranstaltung eine besonders ehrenvolle Note.
Sowohl für den Bundes- und Landesvorsitzenden Hans Supritz, der durch
seinen großen und nimmermüden Einsatz diese
Ahnengedenktafeln ermöglichte, wie für den Präsidenten des
Weltdachverbandes der Donauschwaben, Josef Jerger, seine
Heimatgemeinschaft Jabuka sowie für die Landsleute aus Glogon und
Bulkes.
Eröffnung der Feierstunde durch Hans
Supritz
Pünktlich
um 10.30 Uhr erfolgte die Eröffnung bei gutem Wetter mit einem
Choral. Dann begrüßte Hans Supritz als Gastgeber sowie Bundes- und
Landesvorsitzender der Donauschwaben die Teilnehmer, allen voran Oberbürgermeister
Ivo Gönner mit mehreren Ulmer Stadträten, die beteiligten Landsleute
und Freunde der Donauschwaben sowie die Vertreter der örtlichen Südwestpresse,
die am folgenden Montag ausführlich berichtete.
Seine
Ausführungen im Einzelnen:
„Ich begrüße Sie alle ganz herzlich hier an
diesem geschichtsträchtigen Ort, am Donauschwabenufer in Ulm, wo die
Donau fließt und ewig gegen die alte Heimat fließt.
Geschichtsträchtig einmal deswegen, weil es
vielleicht auch für Ihre Auswanderer-Ahnen, meine lieben Landsleute,
der Platz war, wo sie vor der langen Reise ins Ungewisse zum letzten
Male heimatlichen Boden unter den Füßen hatten, bevor sie die Ulmer
Schachteln die Donau hinab ins Ungarland fuhren. Geschichtsträchtig
aber auch deswegen, weil nach dem furchtbaren Zweiten Weltkrieg Ulm
wieder zum Sammelplatz wurde, diesmal für die Nachkommen der
Auswanderer-Ahnen, die man als Donauschwaben bezeichnet.
Von hier aus haben Tausende bis Mitte der
60er-Jahre weltweit eine neue Heimat gesucht, viele sind aber auch in
Ulm und um Ulm herum geblieben, so auch meine Eltern.
In dieser Zeit entwickelte sich Ulm zu einem großen
Zentrum der Donauschwaben. Ulm sollte das zukünftige Weltzentrum der
entwurzelten Donauschwaben werden. Es kam aber leider anders! Erst das
Donauschwäbische Zentralmuseum brachte das wieder zurück, was viele
schon als verloren glaubten. Man besann sich schnell wieder der
gemeinsamen historischen Wurzeln. Und so ist Ulm heute unbestritten
und unangefochten, die Stadt der Donauschwaben. Das weiß weltweit
jeder Donauschwabe!
Und deswegen dürfen wir uns alle freuen und sind
der Stadt Ulm dankbar, dass wir hier am Donauschwabenufer unser
Ahnen-Auswandererdenkmal und die Tafeln an der historischen Stadtmauer
haben. Damit soll an den Mut und Pioniergeist, aber auch an die
friedliche Aufbauarbeit unserer Ahnen erinnert werden, die sie
zusammen mit den Nachbarvölkern in der neuen Heimat zum Wohle aller
geleistet haben.
Möge von diesem Ufer aus, das schon seit vielen
Jahrzehnten zum Ufer der friedlichen Begegnung von Menschen im Geiste
Europas geworden ist, auch weiterhin Signale für eine friedliche
Zukunft ohne Vertreibung und mit Achtung der Menschenrechte
ausgehen.“
Begrüßung der Gäste durch den Oberbürgermeister der
Stadt Ulm, Herrn Ivo Gönner
In
seiner äußerst verbindlichen, herzlichen und volksnahen Art ging er
auf die historischen Ereignisse der Auswanderung und ihre Gründe ein.
Er erinnerte besonders an die damalige Zeit der Not und Bedrängnis
der Menschen, sowohl in kriegerischer, wie wirtschaftlicher und zum
Teil auch glaubensmäßiger Hinsicht.
Ebenso wies er auf die schon seit Jahrhunderten geschichtsträchtige
Donau hin, welche die Menschen und Völker wie mit einem Band
verbindet.
Dabei sei die Stadt Ulm mit ihrem
Donauufer sowohl schon damals bei der Auswanderung unserer Ahnen als
Drehscheibe, als auch in der jüngsten Vergangenheit, in den Jahren
unserer Rückkehr, bis zum heutigen Tage mit dem Donauschwäbischen
Zentralmuseum als Wahrzeichen, verbindender Mittelpunkt der
Donauschwaben für heute und die Zukunft geworden. Darüber hinaus ist
das Zentralmuseum auch ein kulturelles Bindeglied für die Donauländer.
Schließlich zeige auch das alle zwei Jahre stattfindende
Donaufestival für die angrenzenden Länder der Donau die völkerverbindende
Wirkung der Stadt Ulm.
Enthüllung der beiden Tafeln
Bei
der anschließenden Enthüllung der Tafeln unter den Klängen eines
Chorals durch ein Bläserquartett, konnten einige der Teilnehmer ihre
Tränen der Rührung bei der Sichtbarwerdung der Tafeln in der
obersten Reihe nicht verbergen. Die Blumengebinden mit Schleifen, am
Fuße der Mauer, waren ein äußeres Zeichen der Ehre durch die
Heimatgemeinschaften.
Danach
ergriffen Franz Jung und Josef Jerger für ihre Heimatgemeinschaften
das Wort.
Die
Ansprache von Franz Jung für Bulkes:
„Sehr
geehrter Oberbürgermeister,
sehr geehrter Bundesvorsitzender,
sehr geehrter Präsident des Weltdachverbandes,
verehrte Damen und Herren, liebe, Landsleute!
Wir gehen davon aus, dass die meisten
unserer Ahnen, die aus den verschiedenen Gauen des Deutschen Reiches,
überwiegend aus Südwestdeutschland stammten, von dieser Stelle aus
ihre Schiffsreise mit der Ulmer Schachtel in die Batschka, damals
Ungarn, antraten.
Was bewog sie, die alte Heimat zu verlassen?
Sicherlich nicht die Abenteuerlust die Welt kennen zu lernen, aber
auch nicht die Sucht, fremden Völkern ihren Besitz zu nehmen. Nein,
die bittere Not in der Heimat, die Verwüstungen der französischen
Kriege und allerlei andere Widerwertigkeiten haben sie gezwungen,
Heimat und Familie zu verlassen. Das 18. Jahrhundert war für das
deutsche Volk eine besonders böse Zeit.
Noch sind die Schäden des Dreißigjährigen
Krieges nicht überwunden und schon gefährden kriegerische Ereignisse
den Aufbau und den Frieden. Besonders die Pfalz, unsere eigentliche
Urheimat und die Lande zu beiden Seiten des Rheines sind den Raubzügen
des Sonnenkönigs schutzlos preisgegeben. Durch diese Kriege stieg die
Verelendung und die Verarmung des Volkes ins Unermessliche.
In dieser Zeit drang die Kunde aus dem fernen Südosten
an das verarmte Volk in Südwestdeutschland, dass Prinz Eugen die
Herrschaft der Türken in Ungarn gebrochen und den Verwüstungen ein
Ende bereitet hat. Der Kaiser in Wien durch Prinz Eugen bewogen,
suchte tüchtige Bauern und Handwerker, die das verwüstete Land urbar
machen sollten.
Der Ruf der Werber fand ein sehr williges Gehör
und ließ das Volk nochmals hoffen. Jetzt begannen die großen Wanderzüge
nach Südosteuropa, man nennt sie Schwabenzüge, obwohl die meisten
Auswanderer nicht aus Schwaben stammten.
Wir
kennen drei solche Schwabenzüge, nach den Herrschern benannt, den karolinischen,
den theresianischen und den josephinischen. Für uns
kommt nur der letzte in Betracht, weil unter Joseph dem II. erst die
Protestanten ins Land kommen durften.
Die meisten von uns wissen heute was es heißt
auswandern und einem dunklen Schicksal entgegen zu gehen, aber damals?
Was muss es für Schmerz und Leid gekostet haben, mit Frau und Kindern
die vertraute Heimat zu verlassen? Wie schwer muss der Abschied von
manch einem Angehörigen gewesen sein, der zurück bleiben musste.
Von den späteren Bulkeser Kolonisten weiß man,
dass der größte Teil bereits 1785 in der Batschka angekommen und den
Winter über bei deutschen Familien in Palanka einquartiert war. Diese
Leute sollten im folgenden Frühjahr im Kulaer und Palankaer Bezirk
angesiedelt werden. Doch aufgrund des hervorbrechenden Grundwassers in
den genannten Bezirken, musste von diesem Plan abgesehen und neues
Siedlungsland ausfindig gemacht werden.
Die Wahl fiel dabei auf das Prädium Bulkes,
dessen Besiedlung im Ansiedlungsentwurf ursprünglich nicht vorgesehen
war. Wäre das Grundwasser nicht gekommen, so wären unsere Ahnen
sicherlich wo anders angesiedelt worden. Bulkes verdankt somit dem
Zufall seine Entstehung.
Die ersten Jahre nach der Ansiedlung
waren für die Bulkeser Kolonisten überaus hart, sie mussten
zahlreiche Rückschläge, ja sogar Katastrophen, bei der Urbarmachung
hinnehmen. Das Klima war regnerisch, die feuchten neuerbauten Häuser
und das Trinkwasser ungesund, Fieber und Darmkrankheiten wüteten mit
solcher Gewalt, dass die meisten durch den Tod dahingerafft wurden.
Kaum war diese Zeit überstanden, die erste Saat
grünte, schon brach die nächste Schreckenszeit über das Dorf. Das
vernichtende Grundwasser verwandelte die Ackerflächen in ein
trostloses Sumpfland. Das Wasser verursachte einen Tod bringenden
Pesthauch, die Bazillen steckten die Kolonisten an, eine Seuche
ergriff das ganze Dorf. Die Krankheit endete meistens mit dem Tode.
Die Gemeinde zählte bei der Ansiedlung im Jahre
1786 etwas über 900 Seelen, 1787 über 1000. Zwei Jahre später gab
es nur noch 500 Seelen. Ein Beweis, dass die Sterblichkeit sehr groß
war; ja so groß, wie in keiner anderen Gemeinde. Doch die zugesagten
und eingehaltenen Versprechungen des Kaisers ermunterte sie zu bleiben
und weiterzumachen.
Es wurden schnellstens die Häuser gebaut, im
ersten Jahr der Ansiedlung auch gleich eine Kirche (wenn auch nur hölzern),
das Land wurde durch Gräben entwässert und wurde später zum
fruchtbarsten Boden in der Region.
Und trotzdem wurde unsere Gemeinde immer wieder
von einem furchtbaren Grundwasser heimgesucht. Die Felder waren unter
Wasser, die Keller waren bis oben voll, so, dass manches Haus starken
Schaden erlitt.
Wie sehr die Bevölkerungsbewegung durch die Ab-
und Zuwanderung beeinflusst wurde, beweist uns die Seelenzahl von
1798, da hatte die Gemeinde Bulkes schon wieder 1104 Seelen.
Schon 1814 wurde eine denkwürdige Sitzung
gehalten und beschlossen, eine Kirche für 1600 Seelen zu bauen und
durch Spenden zu finanzieren. 1820 wurde der Bau ohne Turm und
Inneneinrichtung in feierlicher Weise seiner Bestimmung übergeben.
1886, am 14. Juni, am 2. Pfingsttag,
beging unsere Gemeinde die 100-Jahrfeier ihrer Ansiedlung. Bei diesem
Anlass wurde die Gedenktafel oberhalb des Haupteinganges an der Kirche
angebracht, mit der Inschrift: 1786 – 1886, zur Erinnerung an die
vor hundert Jahren stattgehabte Ansiedlung von Bulkes durch Kaiser
Joseph II. widmet die Gemeinde diese Gedenktafel am 14. Juni 1886.
Auch der Erste Weltkrieg hat große Lücken in
unsere Gemeinde gerissen, er forderte 115 Opfer, deren wir immer in
Treue gedenken werden.
Die deutschen Siedlungsgebiete wurden
nach dem Ende des Ersten Weltkrieges und dem Zerfall der
Donaumonarchie im Friedensvertrag von Trianon dreigeteilt. Bulkes fiel
an den neu geschaffenen serbo-kroatisch-slowenischen Staatsverband,
das spätere Jugoslawien, mit neun Banschaften.
Es wurden uns Minderheitenrechte zugestanden aber nicht
eingehalten. Unser Siedlungsgebiet, die Donaubanschaft, in der die
Deutschen lebten, musste mehr Steuern zahlen als alle anderen acht
Gebiete zusammen.
Im August 1936 beging unsere Gemeinde das Fest ihres 150-jährigen
Bestehens. Es kamen Gäste aus Kaiserslautern, Landau, Haardt,
Bellheim, der bekannte Mundartdichter Bellemer Heiner, auch eine
Jugend-Spiel- und Singschar. Diese gemeinsamen Kundgebungen und die
damit gezeigte Verbundenheit mit der Urheimat unserer Ahnen erregte Ärger
und Missfallen bei den staatlichen Behörden.
Aber auch von den staatlichen Behörden war der
Banus da, er hatte den Rang eines Staatssektretärs, der sagte: Er
konnte sich überzeugen, dass die Bulkeser volksbewusste und
staatstreue Bürger sind.
Wir hatten aber nicht nur tüchtige Bauern und
Handwerker, sondern auch große Söhne die unserer Gemeinde Ehre
gemacht haben. Stellvertretend möchte ich drei nennen:
Pfarrer Georg Schwalm, sein Dichtername Jörg
von der Schwalm; er war einer der größten Mundartdichter
des ungarländischen Deutschtums, sein Name ist eingegangen in die
Literaturgeschichte unserer Volksgruppe. Die meisten Erzählungen die
er schrieb handeln von Bulkes oder aus der ungarischen Pfalz, „Gott
erhalts“.
Pfarrer Andreas Weber, sein Großvater
stammte aus Mutterstadt in der Pfalz. Bei der Bewerbung einer
Pfarrstelle in der Umgebung seiner Heimatgemeinde stieß er beim
Seniorat (Kirchenleitung) auf Schwierigkeiten, weil er als ein allzu
deutsch bewusster Mann galt, der ein Vollstudium mit umfassendem
deutschen Bildungsgang absolviert hatte.
Pfarrer Weber durfte im Jahre 1860 vor der
gewaltigen Kulisse der Gustav-Adolf-Hauptversammlung, hier im Ulmer Münster,
einen Vortrag über die Verhältnisse in der evangelischen Kirche in
Ungarn halten, der mit großem Beifall aufgenommen wurde und ihm zeit
seines Lebens in freundlicher Erinnerung blieb.
Ein weiterer großer Sohn mütterlicherseits unserer Gemeinde
war Bischof Dr. Philipp Popp. Er war einer der ersten Kirchenführer,
der die Ökumene in die Tat umgesetzt hat. Damit dürfte er seiner
Zeit wohl weit vorausgeeilt sein.
Bischof Dr. Philipp Popp war der erste und einzige
Landesbischof der deutschen evangelischen Kirche im königlichen
Jugoslawien.
Die meisten Staatsoberhäupter, Regierungspräsidenten und Kirchenfürsten
der Staaten Europas kannte er persönlich. Er galt nicht nur als
politischer Berater seines Königs Aleksander, sondern auch als dessen
persönlicher Freund. Er hatte die Möglichkeit zur Flucht, sagte
aber: Der Hirte muss bei der Herde bleiben, komme was da wolle. Er
wurde verhaftet und zum Tode verurteilt. Bischof Dr. Philipp Popp
wurde am 29. Juni 1945 von Partisanen im Wald bei Zagreb
standrechtlich erschossen. Er starb als Märtyrer seines Volkes.
Beim
Ausbruch des Krieges zwischen Deutschland und Jugoslawien, den die
jugoslawische Rebellenregierung mit dem Ausspruch „besser Krieg als
Pakt mit Deutschland“ auslöste, stellte Bulkes mit 15 Mann eine der
höchsten Zahlen an Geiseln aller deutschen Dörfer.
1941 wurden wir Ungarn
angegliedert.
Den schrecklichsten und
traurigsten Leidensweg aber mussten wir Bulkeser von 1944 bis
1948 gehen. Bulkes hatte 1944 2723 Einwohner, 1784 zuhause gebliebene
waren dem Machtbereich Titos ausgeliefert. Davon fielen 843
Zivilpersonen dem Völkermord Titos zum Opfer, fast 800 nach
Kriegsende, meistens Kinder und alte Leute, dass waren 47,3 Prozent!
Also auch hier prozentual die höchsten Zivilopfer aller deutschen
Gemeinden im donauschwäbischen Siedlungsgebiet.
Deshalb ist der Heimatausschuss der HOG Bulkes der
Meinung, dass gerade hier an historischer Stelle eine Gedenktafel von
Bulkes zur Ehre unserer Ahnen angebracht wird.
Für die freundliche Genehmigung und Unterstützung
dieses Vorhabens danken wir der Stadt Ulm, dem Oberbürgermeister Ivo
Gönner, dem Stadtrat und nicht zuletzt unserem Bundes- und
Landesvorsitzenden der Donauschwaben, Hans Supritz.“
Präsente für Oberbürgermeister
Ivo Gönner und Hans Supritz
Als
äußeres Zeichen des Dankes der Bulkeser Heimatgemeinschaft überreichte
Franz Jung den beiden jeweils ein in Zinn geprägtes Bild mit dem
Bulkeser Wahrzeichen der Kirche mit Ansiedlerhaus und persönlicher
Widmung.
Die
Ansprache von Josef Jerger für die Gemeinden Jabuka und Glogon:
„Herr
Oberbürgermeister,
Damen und Herren des Stadtrates und der Verwaltung,
Herr Bundesvorsitzender, liebe Landsleute,
lassen Sie mich in dieser bewegenden Stunde vorab Worte des Dankes
aussprechen.
Danken darf ich dem Herrn Oberbürgermeister
dafür, dass wir mit unseren Tafeln an diesem geschichtsträchtigen
Ort unserer Heimatorte und unserer Opfer der Jahre 1944 bis 1948
gedenken dürfen.
Herrn Supritz danke ich dafür, dass er sich für
unsere Belange bei der Stadt eingesetzt hat und unsere Vorschläge
realisierte.
Meine Damen und Herren, die schlichten Tafeln,
oftmals mit den Kirchen als Wahrzeichen unserer einstigen Heimatorte,
wollen uns daran erinnern, dass die meisten unserer Vorfahren von Ulm
aus auf der Donau in eine erhoffte bessere Zukunft gezogen sind. Die
Tafeln erinnern aber auch an den mit viel Fleiß geschaffenen
Wohlstand, an Tod und Vertreibung.
Wie wir alle wissen, vollzog sich die Ansiedlung
unserer Vorfahren nicht einheitlich und nicht zum gleichen Zeitpunkt.
Herr Jung hat kurz auf die Ansiedlung und die Schwierigkeiten der
ersten Jahre hingewiesen. In einem alten Spruch der Donauschwaben heißt
es: „ Die Ersten fanden Tod, die Zweiten litten Not und erst die
Dritten hatten das Brot. Ich möchte hinzufügen „Und die Vierten
erlebten wieder Tod und Not“.
Die im Südbanat an der Temesch
gelegenen Nachbarorte Glogon und Jabuka, übrigens werden diese
historischen Ortsnamen auch heute noch verwendet, gehören wohl als
Grenzorte zu den früheren Ansiedlungen. Die ersten deutschsprachigen
Menschen gehörten den kaiserlichen Truppen an, die dort blieben und
ihre Familien nachkommen ließen.
Den alten Einwohnerlisten ist zu entnehmen, dass
die Bewohner teilweise Grenzer und Bauern waren. Das unsere beiden
Orte keine josephinische Ansiedlungen sind, ist auch daraus zu
ersehen, dass die Bewohner außer den Rumänen, alle Katholiken waren.
Glogon/Glogonj, Ansiedlungsjahr 1767, hatte zum Zeitpunkt der Vertreibung
ca. 2500 Einwohner, davon waren 1768 Deutsche. Mit 482 namentlich
erfassten Opfern, sind rund 27 Prozent der deutschen Bevölkerung des
Ortes in den Jahren 1944 bis 1948 umgekommen. Es gibt wohl kaum eine
Familie, die nicht ein Opfer dieser schrecklichen Zeit zu beklagen
hat. Die Todesorte waren: Besni Fok, Franzfeld, Gakowa, Glogon,
Jabuka, Jasenovo, Karlsdorf, Lazarfeld, Mitrowitz, Pantschowa, Semlin,
Subotica, und Rudolfsgnad, wo 145 namentlich bekannte Glogoner Männer,
Frauen und Kinder verstorben sind.
Jabuka ist laut Kirchenstempel bereits 1764
als eigenständige katholische Pfarrei erwähnt. Die Gemeinde
hatte ca. 3200 Einwohner, davon waren 2935 Deutsche. Umgekommen sind
insgesamt 664 Personen oder 23 Prozent der deutschen Bewohner des
Ortes. Als Todesorte sind bekannt: Franzfeld, Csurug, Gakowa, Glogon,
Karlsdorf, Kudritz, Mitrowitz, Molidorf, Pantschowa, Semlin, Werschetz
und Rudolfsgnad mit 273 Toten aus Jabuka.
Mit unseren Tafeln gedenken wir
unserer Ahnen, unserer Opfer und unserer verlorenen Heimat.“
Zum Abschluß seiner Ansprache trug
Josef Jerger das von Jakob Wolf verfasste Gedicht Unverlierbare
Heimat vor. „In diesem Sinne wollen wir dessen gedenken, was
einst war, was wir verloren haben. Wir wollen aber auch dafür danken,
dass wir hier eine neue Heimat gefunden haben und in Frieden und
Freiheit leben dürfen.“
Schlußakt
Nach
den Worten von Josef Jerger wurde, den Tafeln gegenüber, am
Auswanderdenkmal, mit einem Blumengebinde aller Verstorbenen gedacht
und anschließend mit dem folgenden Gedicht, vorgetragen von Maria
Weber aus Bulkes, ein Gruß an Ulm gerichtet.
E
Gruß an Ulm
von Johann Petri, aus „Lerchegsang
und Wachtelschlag“
Du
liewes Ulm, vun Haus zu Haus,
Das er se mit seim Schutz un Scherm,
nemm hin heit unser Gruß,
uf ehrem Weg begleit,
meer leen ne wie e Blumestrauß,
bis in des Land, des weit un fern,
e scheener, vor dei Fuß.
gee Sunne-ufgang leiht.
Do
han die Ahne seinerzeit,
Des wor schun vor poor Hunnert Johr,
zum Wannerstob gegriff,
die Ur-ur-Enklkinn,
sin fart, naus in die Welt, die weit,
die gehn heit darch dei scheenes Dor,
im Ulmer Schachtel-Schiff.
zurick, zu deer jetz nin.
Do
han se noch zum letschte Mol,
Sie wolle Dank deer soon far des,
die Minschterglocke gheert,
was denne hascht geduhn,
un han debei vleicht schun vestohl,
die längscht begrob, doch unvegeß,
es erschte Heemweh gspeehrt.
in fremde Erd jetz ruhn.
Im
Minschter han se beim Altar,
In fremde Erd? Des is net wohr!
es Herz, des so beschwert,
do han ich mich ge-errt,
mit Sarje vor de Zukunft wor,
un wann se hunnert Mol velor,
noch eemol ausgeleert.
doch unser bleiwe werd!
Do
sin se noch e letschtes Mol,
vor Gott, de Herr, getret,
vun ihm noch eemol Troscht sich ghol,
un han zu ihm gebet:
Nach
diesem Gedicht und einem anschließenden gemeinsam gebeteten
Vaterunser beendete Hans Supritz mit seinen Schlussworten die
feierliche und für die Teilnehmer sicherlich unvergessliche
Veranstaltung.
Mittagessen
und gemütliches Beisammensein in den Ulmer Stuben
Daran
anschließend ging es zu den nahen Ulmer Stuben zum
vorbestellten Mittagessen. Dabei gab es untereinander viel zu erzählen.
Besondere Freude herrschte über das Kommen von Karl und Christine
Jung aus Wien, mit Tochter, Sohn und Schwiegertochter sowie über die
beiden Wiedergenesenen Franz und Anni Jung.
Besuch im Donauschwäbischen
Zentralmuseum
Der
Großteil der anwesenden Bulkeser besuchte am Samstag Nachmittag das
mittlerweile sehr sehenswerte Zentralmuseum. Leider ist von Bulkes
darin nichts zu entdecken. Ein Grund, mehr, dass die schon lange
geplante Besichtigung des Museumsleiters in unserer Heimatstube
umgehend verwirklicht wird, um zu prüfen, welche Gegenstände nach
Ulm überführt werden können.
Gegen
16.30 Uhr wurde die Heimreise bzw. die Weiterreise nach Sindelfingen
angetreten.
100 Teilnehmer am Bulkeser Gedenktag in
Sindelfingen
am
22. Mai 2005 im Haus der Donauschwaben
Die
Gedenkveranstaltung, 60 Jahre nach Flucht und Austreibung aus unserem
Heimatort im
Weltheimathaus der Donauschwaben, wurde zu einem eindrucksvollen
Bekenntnis der Bulkeser zu ihrer Gemeinschaft und ihrer donauchwäbischen
Herkunft. Rund 90 Bulkeser Landsleute, einschließlich ihrer
Nachkommen, wurden schon im Foyer von den vielen ausgelegten und
beschrifteten Bildern in Vitrinen, von der Bulkeser Veranstaltung aus
dem Jahre 1993, freudig überrascht. Herzlichen Dank Frau Mojem! Aber
auch für die sonst bestens vorbereitete und äußerst harmonisch
abgelaufene Veranstaltung unter ihrer Regie, danken wir unserer
Gastgeberin.
Weil
es den meisten unserer Bulkkeser Landsleuten aus Alters- bzw. aus
Gesundheitsgründen nicht möglich war, an dieser wohl letzten großen
Bulkeser Gedenkveranstaltung teilzunehmen, wollen wir darüber vollständig
berichten. Im Einzelnen:
Die
Feierstunde im Festsaal
Beginn 11.00
Uhr:
Präludium f-moll aus:
„Das Wohltemperierte Klavier“
Von J. S. Bach, mit Olga Csechlova am
Klavier
Begrüßung durch unseren
Heimatausschussvorsitzenden Franz Jung
Sehr
geehrter Herr Vorsitzender, sehr geehrte Ehrengäste,
sehr geehrte Damen und Herren, liebe Landsleute!
Nachdem wir gestern unsere Gedenktafel an der
historischen Stelle am Donauufer zur Ehre unserer Ahnen eingeweiht
haben und ich glaube es war ein eindrucksvoller Tag, wollen wir heute
hier im Ehrenhof unserer Toten und unserer verlorenen Heimat vor 60
Jahren gedenken.
Dazu darf ich ganz herzlich begrüßen:
Den Vorsitzenden des Vereins „Haus der
Donauschwaben“, Herrn Otto Welker mit Frau Gemahlin. Lieber
Otto, wir wissen um Deine vielen Verpflichtungen, wir werden es
sicherlich bei Deiner Ansprache hören. Deshalb freuen wir uns über
Deine Anwesenheit um so mehr, damit dokumentierst Du Deine
Verbundenheit zu uns. Nochmals herzlich willkommen.
Ein immer wieder gern gesehener Gast bei uns ist
die Geschäftsführerin vom Verein „Haus der Donauschwaben“, Frau Henriette
Mojem, herzlich willkommen.
Ich begrüße den Vorsitzenden des Altkerer
Heimatausschusses, Eduard Wächter, auch er nimmt, wenn es ihm
möglich ist, immer wieder an Bulkeser Veranstaltungen teil, auch Du
lieber Eduard sei herzlich willkommen.
Nicht minder darf ich alle Gäste, Landsleute, und
Bulkeser, die weder Mühe noch Kosten gescheut haben, um bei dieser
Veranstaltung dabei zu sein, herzlich willkommen heißen.
Grüße soll ich bestellen
- von unserem
Innenminister und Landesbeauftragten für Vertriebene, Flüchtlinge
und Aussiedler, Heribert Rech, er ist ein Sohn Parabutscher Eltern,
wohnt in Bad Schönborn und ist
ein Freund der Bulkeser,
- von Frau Matt-Heidecker,
Oberbürgermeisterin unserer Patenstadt Kirchheim/Teck,
- und von Bürgermeister
Rolf Müller aus Bad Schönborn. Weitere Grüße soll ich bestellen
- von unserem Bundes- und
Landesvorsitzenden der Donauschwaben, Hans Supritz,
- von unserem Präsidenten
des Weltdachverbandes der Donauschwaben, Josef Jerger,
- vom HOG-Vorsitzenden der
Parabutscher, Martin Kundl
- und von unserem Bulkeser
Landsmann, Peter Schertz.
Sie
alle sind verhindert, wünschen aber unserem Gedenktag einen
feierlichen Verlauf.
„Unverlierbare
Heimat“
Gedicht von Jakob Wolf, vorgetragen von Elisabeth Groß, geb. Ilg
Wer
die Heimat kannte,
Warum soll ich trauern,
die ich Heimat nannte,
um zerfallene Mauern,
der verlor sie nicht;
die mir nie gehört?
tief ins Herz geschrieben,
Heimat ist im Innern,
ist sie ihm geblieben,
mehr als nur Erinnern,
wie ein Seelenlicht.
bleibt drum unzerstört.
Nichts
hab ich besessen,
Wer die Heimat kannte,
doch auch nichts vergessen,
die ich Heimat nannte,
alles blieb bestehn.
der verliert sie nie;
All der Blumen Düfte,
tief ins Herz geschrieben,
Vogelsang der Lüfte,
ist sie ihm geblieben,
können nicht vergehn.
eine Herzensmelodie.
Ein Rückblick
auf unsere alte Heimat Bulkes
Karl Weber, Fußgönheim
Sehr
verehrte Gäste, liebe Bulkeser Landsleute,
unsere heutige Gedenkveranstaltung steht im Zeichen des Erinnerns an
unsere alte Heimat Bulkes, sowie der Austreibung aus unserem geliebten
Heimatort. Das war auch der Beginn des unabänderlichen langsamen und
unaufhaltsamen Sterbens unserer Heimatgemeinschaft. Dieses Erinnern
gebietet auch unseren Toten eine Stimme zu geben.
Für uns, die Erlebnisgeneration, die letzten noch
Lebenden der Bulkeser Heimatgemeinschaft, ist es nach 60 Jahren ein
besonderer Anlass, denn in 10 Jahren, 70 Jahre nach den schrecklichen
Geschehnissen, ist kaum noch jemand in der Lage, an einer
Gedenkveranstaltung teilzunehmen.
Im
Herbst unseres Lebens weilen wir in Gedanken oft an der Stätte
unserer Kindheit und unserer Jugend in der alten Heimat Bulkes.
Aber warum Erinnerungen an die Heimat? Verehrte
Anwesende, Erinnerungen sind lebensnotwendig für die seelische
Gesundheit. Es ist ein Grundzug unseres menschlichen Wesens, uns an
unsere Kindheit, an freudige Ereignisse, an liebe Menschen, an
Geborgenheit in der Gemeinschaft, zu erinnern.
In dieser Stunde gedenken wir allen unserer Toten,
von unseren Vorfahren, denen wir unser Leben verdanken, bis hin zu
unseren Lieben, die wir noch kannten, insbesondere jenen, die dem Völkermord
zum Opfer fielen. Fast jeden von uns hätte dasselbe Schicksal treffen
können. Dieses heutige gemeinsame Gedenken ist ein Zeichen, dass wir
sie nie vergessen werden, so lange wir leben.
Wir gedenken unserer Heimat, aber was ist Heimat?
Der Inhalt dieses Begriffes ist an die Zeit und an den Raum in der die
Menschen lebten und leben gebunden. Verschieden sind der Ort, die
Landschaft, die Sprache, die Geschichte, die Herkunft, Sitten und Bräuche,
um nur einige dazugehörige Lebensverhältnisse zu nennen.
Was ist und was war die Heimat für uns Bulkeser?
Etwas davon haben wir vorhin schon in dem von Elisabeth Groß
vorgetragenen Gedicht gehört.
Unsere Heimat haben uns unsere Vorfahren mit viel
Fleiß und Sparsamkeit, mit schöpferischer Kraft und Zähigkeit, mit
Heimatliebe und Heimatverbundenheit geschaffen. Die Donauschwaben
schufen aus einer Wüstenlandschaft ein blühend Eden. Diese
Friedenstat ist als eine der größten Kolonistenleistungen der
Neuzeit in die Geschichte eingegangen!
Bulkes
wuchs zu einer nie wiederkehrenden Dorfgemeinschaft zusammen, es war
eine friedliche Insel in einem Völkermeer. Hier hinein wurden wir
geboren.
In ein Leben mit Sitten und Bräuchen die heute
nicht mehr gefragt sind. Diese Lebensverhältnisse gründeten sich auf
Liebe, Achtung, Gehorsam, Hilfsbereitschaft, Rücksichtnahme und
Vertrauen. Dieser gesunde Gemeinschaftssinn erstreckte sich von der
Familie über die Nachbarschaft bis hin zur gesamten Dorfgemeinschaft.
Sie bewährte sich vor allem bei Seuchen,
Missernten, Feuerbrunst, Kriege, Tod und anderen Heimsuchungen und
festigte die Gemeinschaft über Generationen. Und wie wir heute
feststellen können, nun auch schon 60 Jahre nach der Auslöschung
unserer dörflichen Gemeinschaft in Bulkes.
Gerne sprechen und hören viele noch unseren
liebgewonnenen Bulkeser Dialekt, der in seiner Gesamtheit sonst
nirgends auf der ganzen Welt gesprochen wird.
Gerne denken wir an die großzügig angelegte
Dorfstruktur mit den Baumalleen in den breiten langen Gassen, wo sich
die schnurgerade aneinander gereihten geweißten Häuser endlos
hinzogen, wo wir als Kinder die Weite des Raumes in einer noch
intakten Natur nutzen konnten. Gerne
denken wir an all die liebgewonnenen Menschen, die Freunde,
Verwandten, Nachbarn.
In unserer Heimat Bulkes haben wir Wurzeln
schlagen dürfen, dort war unser zuhause. Dort waren wir anerkannt so
wie wir waren, wir waren gezählt, ein jeder kannte jeden.
Im Gegensatz zu anderen vergleichbaren deutschen Gemeinden gab es in
Bulkes zwar wohlhabende, aber keine ausgesprochen reichen oder armen
Familien. Das lag vor allem auch daran, dass es in Bulkes kaum Männer
ohne Beruf gab.
Auf dem Boden unserer Bulkeser Gemarkung, mit dem
günstigen mittelmeerähnlichen Klima, gediehen so reichlich und vielfältig
Früchte, wie kaum anderswo auf dieser Erde.
Unsere Landwirte waren für ihre hochwertige
Viehwirtschaft mit ihren Züchtungen in der Region bekannt und
anerkannt. Sie erzielten ungezählte Preise auf Ausstellungen. Das
einträglichste landwirtschaftliche Erzeugnis war der Hanf, das weiße
Gold der Region.
Unsere tüchtigen Bulkeser Handwerker trugen mit
ihren Erzeugnissen durch ihre großen Fachkenntnisse und Vielfältigkeit
für eine weitgehendste wirtschaftliche Eigenständigkeit bei der
Befriedigung des für damalige Verhältnisse äußerst hohen
Lebensstandards bei.
So waren z. B. die in unserem Heimatort in drei
verschiedenen Längen gebauten
Holzwagen wohl die leichtesten und hochwertigsten auf der ganzen Welt.
Eine
einmalige Besonderheit für die damalige Zeit in Bulkes war, dass es
mehr Bauhandwerker als Landwirte gab. Ihre landesweite Dimension und
Blütezeit setzte bereits 1895 ein, als die österreichisch-ungarische
Monarchie mit dem Ausbau der Eisenbahnlinien begann. Sie waren an den
Strecken in Oberungarn, Kroatien und Siebenbürgen beteiligt. Die
Hauptstadt Budapest sowie andere Städte waren sichere und langjährige
Arbeitstellen.
Als unsere Heimat 1918 dem neu gegründeten, später
Jugoslawien genannten Staat, zugeteilt wurde und das nahe Belgrad zur
Residenz und Landeshauptstadt erkoren wurde, waren unsere
Bauhandwerker willkommene Fachleute.
Sie waren in beachtlichem Maße an dem Auf- und
Ausbau der bis dahin noch unbekannten und orientalisch ausgerichteten
Stadt zum Paris des Ostens beteiligt.
Bereits 1922 waren dort über 300 Bulkeser
Bauhandwerker tätig. Markante Gebäude der Metropole wie die
technische Fakultät, das Bergbau- und Forstministerium, die Belgrader
Börse, das Hochhaus Albania, sowie auch die Banovina in Neusatz,
trugen die Handschrift deutscher
Bulkeser Wertarbeit.
Ein berufener Donauschwabe äußerte einige Jahre
nach unserer Vertreibung: „Wenn in Belgrad auf einmal alle Steine,
die von Bulkeser Bauhandwerkern gesetzt wurden, anfingen zu wackeln, würde
ganz Belgrad zusammenfallen“! Wie ernst das auch immer gemeint war,
uns Bulkeser tun solche Worte gut. Letztlich
setzte sich die Tradition unserer Bulkeser Bauhandwerker auch
hierzulande erfolgreich fort.
Mit Stolz und Dankbarkeit blicken wir aber auch auf unsere tüchtigen
Hausfrauen zurück. Sie waren einer der Hauptfaktoren für den
Lebensstandard der Familie. Die Vielzahl ihrer Tätigkeiten
aufzulisten würde ganze Seiten füllen. Aber eine Tätigkeit darf ich
hier nennen: Ihre
hohe Kunst des Kochens und Backens, die sich ursprünglich aus den
besten Rezepten der verschiedenen Herkunftsgebiete unserer Ahnen
durchsetzten, hinzu kamen die Wiener und die ungarische Küche. All
dies wurde noch von Generation zu Generation verfeinert. Die Speisen
kamen natürlich aus eigener Erzeugung, jeweils frisch zubereitet, auf
den Tisch.
Schließlich
gingen auch große Söhne aus unserer Gemeinde hervor. Wir sind schon
stolz, sie in unseren Reihen gehabt zu haben.
An der Spitze unser hochwürdiger Landesbischof
Dr. Philipp Popp, er war mütterlicherseits ein Sohn unserer
Gemeinde. Er wurde zwar in Beschanija bei Begrad geboren, aber ein Großteil
seiner Verwandten lebten in unserer Heimatgemeinde, sie war ihm zur
zweiten Heimat geworden. Oft und gerne weilte er als Student in
Bulkes, daran hinderte ihn auch der spätere Bischofsrang nicht.
Was wäre die donauschwäbische Mundartdichtung
ohne den in Bulkes geborenen und aufgewachsenen Pfarrer Jörg von
der Schwalm gewesen, dem wir so viele Mundartgedichte, fast
durchwegs in Bulkeser Mundart, zu verdanken haben. Er hat in einer
Zeit deutsch gefühlt, wo andere sich und ihr Volk verleugneten.
Unter den großen Söhnen der Gemeinde steht auch
der langjährige Pfarrer von Neu-Pasua, Andreas Weber,
an hervorragender Stelle. Er war nicht nur ein überzeugungstreuer
Verkünder des Evangeliums Jesu Christi, er setzte sich für seine
Glaubensgenossen in einer Zeit größter Bedrängnis bis zu den höchsten
Regierungsstellen ein und war dort hoch angesehen.
Wie Franz Jung gestern auch schon in Ulm erwähnte,
hielt der international anerkannte Kirchenmann im Jahre 1860 anlässlich
der Gustav Adolf Hauptversammlung vor der gewaltigen Kulisse im Ulmer
Münster vor internationalen kirchlichen Würdenträgern einen
vielbeachteten und mit warmem Beifall bedachten Vortrag über die Verhältnisse
in der evangelischen Kirche in Ungarn.
Die
Bulkeser pflegten aber auch die Geselligkeit, verstanden zu musizieren
und Feste zu feiern. Die rund um die Uhr stattfindenden tagelangen
Hochzeiten und Kirschweihfeste waren nicht nur für die Bulkeser eine
Attraktion.
Im Zuge meiner Tätigkeit im Arbeitskreis
Dokumentation lernte ich mehrere donauschwäbische Lehrer kennen.
Einige von ihnen erzählten mir mit Begeisterung, dass sie von
Bulkeser Mitstudenten, unter ihnen Valentin Beck, Jakob Grass und
Peter Hartmann, des öfteren mit auf Bulkeser Festlichkeiten
eingeladen wurden. Sie berichteten mir immer wieder von diesen schönen
Stunden in Bulkes.
Für die große Verwandtschaft meiner Mutter aus
Altker und Kischker waren Bulkeser Feste was ganz besonderes. Sie drängten
alle auf ihr Kommen, da sie aber nicht
alle gleichzeitig kommen konnten, wurde peinlichst genau auf die
Reihenfolge geachtet.
Zu unseren Nachbarn, der Familie Burghardt, kamen oft Gäste mit ihrem
Pferdewagen aus der Bulkeser Filiale Waldneudorf. Nicht selten wurden
sie dann auf dem Heimweg von ihren Gastgebern bis nach Petrovac
begleitet. Einfach so, wo gab es das noch?
Bei einem solchem Abschied der Gäste sagte ein
damals 12-jähriges Mädchen zu ihrem Vater: Vater weißt Du was, wenn
wir jetzt heim kommen, verkaufen wir alles und ziehen nach Bulkes!
Dieses Mädchen
wird in 14 Tagen 80. Ich kann ihnen sagen, sie schwärmt heute noch
genau so von Bulkes wie damals, für sie haben die Bulkeser das Herz
einfach auf dem richtigen Fleck!
Liebe
Anwesende, das war ein kleiner Auszug über das, was unsere gemeinsame
donauschwäbische Heimat Bulkes prägte. Schon daraus ist zu ersehen,
dass wir Donauschwaben, vom Beginn bis zum Ende unseres Bestehens, für
unsere Verhältnisse auf dieser Welt vieles bewegt und bewirkt haben.
Wir waren keine graue Maus, an unserem Wesen konnten andere genesen.
Unsere
Heimat wurde uns mit Gewalt genommen, der anschließende Leidensweg für
den größten Teil der
Bulkeser ist mit Worten kaum zu beschreiben. Wem die Heimat nie
geraubt wurde, kann kaum
verstehen, welch großer Schmerz damit verbunden ist, wie lange das
Herz und die Gedanken noch in der verlassenen alten Heimat weilen und
wie groß die Wehmut ist, die uns bei solchem Erinnern immer wieder überkommt.
Heute,
60 Jahre später, steht unsere Gemeinschaft vor der Auflösung. Ich
denke, in dieser Zeit hat uns unser Schöpfer aus dem Tal der Tränen,
die der Völkermord für uns brachte, mit viel Liebe wieder herausgeführt.
Er hat uns eigentlich alles gegeben, was man auf dieser Erde bekommen
kann. Frieden und Freiheit in Lebensverhältnissen, von denen weit über
90 Prozent der Menschen auf dieser Erde nur träumen können. Der
erreichte Wohlstand lag und liegt weit über dem aller vergangenen
Zeiten.
Wir wurden fast durchwegs in einem Alter
pensioniert, wo unsere geistigen und körperlichen Fähigkeiten noch
voll intakt waren. Es liegt an uns, die viele freie Zeit sinnvoll zu
nutzen. Dank einer umfassenden Gesundheitsfürsorge erreichen wir ein
Lebensalter wie Menschen nie zuvor.
Wir haben überwiegend Renten die uns finanziell
unabhängig machen, sie erlauben Reisen in die ganze Welt, Urlaub in
fernen Ländern, Kontakthaltung mit weit entfernt lebenden Verwandten
und Freunden.
Unsere
Nachkommen wurden in diese noch nie da gewesenen Lebensverhältnisse
hinein geboren. Ihnen stehen alle Bildungschancen offen. Sie haben die
Möglichkeit und die Freiheit, ihr Leben nach ihrem Gutdünken zu
gestalten.
Wir können gewiss sein, dass sie uns, jeder für
sich, in ihrer Heimat Ehre einlegen werden. Denn bei uns Bulkesern
sollte der Spruch: Wie die Alten sungen, so zwitschern auch die
Jungen, seine Gültigkeit haben.
Wir
Bulkeser hoffen, wie alle Vertriebenen, auf eine Völkerverständigung
in Europa in Frieden mit Gerechtigkeit für alle Beteiligten. Wir
wissen aber auch, dass Frieden ohne Gerechtigkeit und geschichtlicher
Wahrheit, keinen Bestand hat.
Ich
denke, wir Bulkeser der Erlebnisgeneration, können unseren letzten
Weg erhobenen Hauptes und dankbar unserem Schöpfer gegenüber zu Ende
gehen, mit der Gewissheit, dass wir nicht umsonst gelebt haben.
Ich
danke Ihnen
Musikeinlage: Fantasie
d-moll, KV 397
von W. A. Mozart
Ansprache von Otto Welker
Vorsitzender des Vereins „Haus der Donauschwaben“
Sehr
geehrter Herr Jung, lieber Franz,
sehr geehrter Herr Weber, lieber Karl,
liebe Bulkeser Landsleute, meine sehr geehrten Damen und Herren,
von
Victor Hugo stammt der Ausspruch:
„ ... die Vergangenheit ist ein Teil von uns selbst, vielleicht der
wesentliche Teil.
... Was ist ein Baum ohne Wurzel? Was ist ein Fluss ohne seine Quelle?
Was
ist ein Volk ohne seine Vergangenheit?“
Diese Worte könnten als Motto über dem heutigen
Tag und über der heutigen Feierstunde stehen, zu dem ich Sie sehr
herzlich begrüße und willkommen heiße.
Wie alle donauschwäbischen Gemeinden begeht auch
die Ortsgemeinschaft Bulkes in diesen Tagen ein ebenso trauriges wie
denkwürdiges Jubiläum: 60 Jahre nach Flucht, Vernichtung und
Vertreibung der Donauschwaben.
Dem Hausherrn obliegt stets die Pflicht, die Gäste
zu begrüßen. Gerne übernehme ich diese angenehme Aufgabe, und so
darf ich Sie alle, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe
Bulkeser Landsleute, persönlich und im Namen des Vorstands, zu diesem
Festakt und zu dem anschließenden Bulkeser Heimattreffen sehr
herzlich begrüßen und ebenso willkommen heißen.
Ich freue mich ganz besonders, dass Sie liebe
Bulkeser Landsleute, nach nunmehr 12 Jahren, mit Ihrem HOG-Treffen
wieder daheim im Haus der Donauschwaben zusammengekommen sind. Das
Haus der Donauschwaben ist die Zentrale der auf der ganzen Welt
lebenden Donauschwaben. In den 35 Jahren seines Bestehens ist es zum
geistigen und kulturellen Kristallisationspunkt der Donauschwaben
geworden und ist als Weltheimathaus international bekannt und geschätzt.
Das Haus ist ein Kulturzentrum. Hier wird das
reichhaltige Kulturerbe der Donauschwaben bewahrt und gepflegt.
Donauschwäbische Originaltrachten und Handarbeiten, Dorfmodelle,
Gebrauchsgegenstände und eine original donauschwäbische
Bauernstaube, vermitteln ein anschauliches Bild vom Leben in den früheren
donauschwäbischen Siedlungsgebieten. Die Gemäldegalerie umfasst
Werke namhafter donauschwäbischer Künstler.
Durch die Bibliothek und den Arbeitskreis
donauschwäbischer Familienforscher ist das Haus der Donauschwaben zu
einem Informations- und Forschungszentrum geworden: Eine Adresse für
Wissenschaftler aus dem Inland und Ausland.
Das Haus ist aber
auch, und das ist wohl seine nobelste Aufgabe, ein Haus der Erinnerung
und der Begegnung und spannt den Bogen aus der Geschichte in die
Zukunft.
Weit über 31 000 Besucher waren es im vergangenen
Jahr und 629 Veranstaltungen. Klassische Konzerte, Ausstellungen,
Lesungen, Kulturtagungen, Treffen der Heimatortsgemeinschaften usw.
– eine Bilanz, die sich sicher sehen lassen kann.
Ein Blick in unser Gästebuch genügt:
Donauschwaben und ihre Freunde aus der ganzen Welt kommen in „ihr“
Haus, um hier ein Stück donauschwäbische Heimat wiederzufinden.
Meine Damen und Herren, wir
Donauschwaben aus dem vormaligen Jugoslawien hatten zum Ende des
Zweiten Weltkrieges und danach das härteste Los zu tragen.
Gegen jedes Menschenrecht wurden wir für rechtlos
erklärt, von Haus und Hof vertrieben, unseres Hab und Gutes beraubt
und mussten Mordaktionen, Deportationen, Internierungen in
Arbeitslagern und Einkerkerungen in Todeslagern, wehrlos über uns
ergehen lassen. Auch viele Bulkeser Landsleute waren von den
mittlerweile als Völkermord bewerteten Verbrechen gegen die
Menschlichkeit sehr hart betroffen. Im Zweiten Weltkrieg und in der
Nachkriegszeit, von 1941 bis 1951, haben die Bulkeser 973 namentlich
erfasste Menschenopfer zu beklagen. Die Zahl ist im Gedenkkreuz draußen
auf der Ehrenwand des Hauses der Donauschwaben eingraviert. Insgesamt
haben fast 60 000 donauschwäbische Zivilpersonen aus dem ehemaligen
Jugoslawien diese Schreckenszeit nicht überlebt.
Wie alle Donauschwaben mussten auch Sie, liebe
Bulkeser, unverschuldet die Heimat verlassen. Nach der Flucht sind die
meisten in die Urheimat ihrer Vorfahren zurück gekommen. Die Mehrheit
der Donauschwaben und damit auch der Bulkeser, haben ihre neue Heimat
in den süd- und südwestdeutschen Bundesländern gesucht und
gefunden.
Es ist wichtig, meine Damen und Herren, gerade
auch am heutigen Tag, daran zu denken, welch schweres Schicksal uns,
liebe Landsleute, nach Deutschland zurückgeführt hat.
Der von Hitler-Deutschland entfachte Zweite
Weltkrieg endete für uns in der erwähnten Tragödie von Flucht,
Vernichtung und Vertreibung.
Die Jahre nach Flucht
und Vertreibung waren von härtester Arbeit und oft von mühseligen
Ringen um die Sicherung der eigenen Existenz geprägt. Und gerade in
dieser Zeit waren es die Bürger vieler Städte und Dörfer, die die
Flüchtlinge, anfangs wohl etwas skeptisch, dann aber doch als
gleichwertige Mitbürger aufgenommen haben. Dafür sind wir
Donauschwaben sehr dankbar! Denn gerade durch diese noble innere Haltung konnte sich bei
uns ein Heimat-gefühl entwickeln, dass uns das Einleben ermöglichte
und das Heimischwerden erleichterte.
Wir können stolz sein auf die gelungene
Integration unserer Landsleute im Zusammenwir-ken mit der
einheimischen Bevölkerung. Was hier in den Nachkriegsjahren unter
schwierigen Bedingungen von allen Seiten vollbracht wurde, ist eine
Leistung, deren wir uns immer wieder erinnern sollten.
Wir können hier nun schon über ein halbes
Jahrhundert mit unseren Nachkommen in Frieden und Freiheit und auch
meistens frei von finanziellen Sorgen leben. Unser Dank gilt allen
Menschen und Institutionen in Deutschland, Österreich und Übersee,
die uns so freundlich aufgenommen und integriert haben.
Meine Damen und Herren, trotz der liebgewordenen
neuen Heimat und den weit verstreuten Wohnorten unserer Landsleute,
haben sie die Zusammengehörigkeit gepflegt und Ihre Bulkeser Treffen
über viele Jahre traditionell durchgeführt und erhalten. Und Bulkes,
Ihre alte Heimat, liebe Landsleute, tragen Sie in Ihrem HERZEN!
Wir brauchen zuweilen die Erinnerung an früher,
sozusagen als Kraftquelle für die Gegen-wart und Zukunft. Dabei
sollen uns das Haus der Donauschwaben, die Heimatortstreffen und die
Heimatzeitungen helfen. Bulkes, ist im Haus der Donauschwaben vielfältig
vertreten:
- die umfangreiche
Bulkeser Literatur in der Bibliothek,
- Ihr verewigter Ortsname
auf der Stiftertafel und auf der Ehrenwand,
- der finanzielle Beitrag
der Heimatortsgemeinschaft Bulkes für dir Überdachung der
Ehrenwand,
für die Bestuhlung des Festsaals und für die Mitgliedschaft im Förderkreis.
All
das ist ein Beweis, dass Bulkes auch heute noch eine lebendige
Ortsgemeinschaft darstellt, gekennzeichnet durch eine starke
Verbundenheit zur alten Heimat und zum Haus der Donauschwaben.
Sie, liebe Bulkeser Landsleute, sind heute nun mit
Ihrem HOG-Treffen in das Weltheimathaus der Donauschwaben gekommen, um
in einer würdigen Feierstunde Ihrer grausam umgekommenen Landsleute
zu gedenken – am Bulkeser Gedenkkreuz in unserem Ehrenhof, dem
symbolischen Friedhof aller Donauschwaben.
Zu diesem Bulkeser Tag, meine Damen und Herren,
heiße ich Sie nochmals alle herzlich willkommen daheim und wünsche
Ihnen einen besinnlichen und gleichzeitig einen frohen Verlauf des
heutigen Tages. Mögen es erlebnisreiche Stunden herzlicher
Begegnungen und liebevoller Erinnerungen werden.
Ihrer
Heimatortsgemeinschaft Bulkes wünsche ich auch weiterhin lebendiges
Gedeihen!
Musikeinlage:
Impromptu As-Dur, Op. 142
von F. Schubert
Mit
dieser letzten musikalischen Darbietung am Klavier war die Feierstunde
im Festsaal beendet. Die Teilnehmer begaben sich in den Ehrenhof.
Totengedenken im Ehrenhof vor der Ehrenwand
„Ich
bete an die Macht der Liebe“
Gemeinsames
Lied mit Trompetenbegleitung durch Heinrich Lauer
Gedenkworte
Johann
Weber, Pforzheim
Am 10. Oktober 1993, vor
nahezu 12 Jahren, standen wir mit vielen Bulkesern hier, um unsere
Bulkeser Totenzahl an der Ehrenwand zu enthüllen.
Heute, nach 60 Jahren, stehen wir wieder hier und trauern um
unsere Toten, die wir, so lange wir leben, nie vergessen werden.
Obwohl
die Zahlen schon des Öfteren genannt wurden, möchte ich sie noch
einmal in Erinnerung rufen, so wie sie auf den Bulkeser Internetseiten
dokumentiert sind:
Von der erfassten Bulkeser Einwohnerzahl vor der
Flucht und Vertreibung im Oktober 1944 von 2723 Personen, verloren 847
Bulkeser als Zivilopfer – also fast jeder dritte Bulkeser -
sein Leben. Davon 434 Frauen, 222 Männer und 191 Kinder unter
14 Jahren. Die weitaus meisten von ihnen, 800 Personen, starben nach
dem Kriegsende (nach dem 8. Mai 1945)!
Nimmt man nur die dem Tito-Regime ausgelieferten
1784 Personen, so ergibt das einen Anteil von 47,5 Prozent, die dem Völkermord
zum Opfer fielen.
Es kamen noch 127 Kriegsopfer dazu, so dass es mit
den Zivilopfern aus der Deportation die hier in der Ehrenwand eingemeißelte
Gesamtzahl von 973 Toten ergibt.
Von den oben erwähnten
2723 Einwohnern haben von 1941 bis 1948 nur 1748 überlebt (64
Prozent).
Für
die, die nicht unmittelbar dabei waren, übersteigt es ihr
Fassungsvermögen, was sich in den Todeslagern abgespielt hat.
Der Untergang der Deutschen aus
Jugoslawien, der donauschwäbischen Volksgruppe überhaupt, gehört
mit Sicherheit zu dem Grausamsten, was es in der Mitte des 20.
Jahrhundert gegeben hat.
Es tut nicht nur weh, dass wir unsere Lieben,
dieses Land und alles verloren haben, sondern auch der Hass der uns
entgegen schlug und der auch heue noch zu spüren ist.
Wer gibt Antwort auf die Frage WARUM?
Unser
langjähriges Heimatausschussmitglied Peter Schertz berichtete über
die Geschehnisse in einem Gedicht:
Gar
viele starben vor 60 Jahren,
Die Mörder rühmten sich ihrer Taten,
obwohl sie allesamt schuldlos waren.
verhöhnten die, die um Gnade baten.
Die Massengräber füllten sich.
Die
Welt sah zu! Wer denkt an sie?
Ergraute Greise und Kinderscharen -
Erwartet man von den Augenzeugen,
sie starben, nur weil sie Deutsche waren,
dass sie sich heut’ noch dem Unrecht beugen?
gequält, geschändet – fürchterlich!
Verzeihen? Ja! – Vergessen? Nie!
Kranzniederlegung
durch Magdalena Harfmann, geb. Hoffmann und Karl Glas
Trompetenbegleitung:
„Ich hatt’ einen Kameraden“
Geistliche Worte
Karl Weber, Karlsruhe
Herr,
du bist unsere Zuflucht für und für.
Ehe denn die Berge wurden und die Erde und die Welt geschaffen wurden,
bist du,
Gott, von Ewigkeit zu Ewigkeit.
Der du die Menschen lässest sterben und sprichst: Kommt wieder,
Menschenkinder.
Denn tausend Jahre sind vor dir wie der Tag, der gestern vergangen
ist,
und wie eine Nachtwache.
Du lässest sie dahinfahren wie einen Strom.
Sie sind wie ein Schlaf, wie ein Gras, das am Morgen noch sprosst,
das am Morgen blüht und sproßt, und des Abends welkt und verdorrt.
Das macht dein Zorn, daß wir so vergehen,
und dein Grimm, daß wir so plötzlich
dahin müssen.
Denn unsre Missetaten stellst du vor dich,
unsre unerkannte Sünde ins Licht vor
deinem Angesicht.
Darum fahren alle unsre Tage dahin durch deinen Zorn,
wir bringen unsre Jahre zu wie
ein Geschwätz.
Unser Leben währet siebzig Jahre, und wenn es hoch kommt, so sind’s
achtzig Jahre,
und was daran köstlich scheint,
ist doch nur vergebliche Mühe;
denn es fährt schnell dahin,
als flögen wir davon.
Lehre uns bedenken, daß wir sterben müssen, auf daß wir klug
werden.
Psalm 90, 1-12
Gebet:
Gott,
unser Vater! Im Gedenken an das Geschehen vor 60 Jahren an die Opfer
grausamer Kriege, im Gedenken an zerstörtes Leben vieler Millionen
Menschen, an Vertriebene, Deportierte, bitten wir dich um Frieden. Wir
selbst, ausgeliefert unserer Angst und unserem Misstrauen, können ihn
nicht halten und schaffen.
Täglich müssen wir dich bitten, dass uns nicht
Liebe und Vertrauen, Verständnis und Mitgefühl abhanden kommen. Erfülle
uns mit dem Geist des Friedens, insbesondere die Verantwortlichen
aller Staaten und Mächte, damit nicht Spannungen zu Gewalt führen
und Konflikte mit Waffen ausgetragen werden.
Eine laute Welt lässt uns leicht die Stille der
Toten vergessen, die stumme Klage an verlorenes Leben, ihr Opfer auf
den Altären falscher, angemaßter Götter. Alle Toten sind aufgehoben
in deinem Frieden. – Uns aber, die Lebenden, bewahre vor
leichfertigem Vergessen, vor Unbelehrbarkeit, in der wir immer in die
gleichen Fehler verfallen. Erleuchte uns durch die Kraft des
Evangeliums des Friedens. Amen.
Gemeinsam
gebetet:
Vater unser im Himmel. Geheiligt werde Dein Name. Dein
Reich komme.
Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren
Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse von dem Bösen.
Denn Dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in
Ewigkeit. Amen.
Segen:
Der
Herr segne uns und behüte uns. / Der Herr lasse sein Angesicht
leuchten über uns und sei uns gnädig. /Der Herr hebe sein Angesicht
über uns und gebe uns Frieden. Amen.
„Grosser
Gott wir loben Dich“
Gemeinsames Lied mit Trompetenbegleitung
Ende der Totenehrung
Fototermin
zur Gruppenaufnahme an der
Eingangstreppe des Hauses.
Schlussworte
Von Franz Jung im Seminarraum vor dem Mittagessen
Die
Feierstunde unseres Gedenktages kommt zum Abschluss. Ich darf wohl
behaupten, dass es ein feierlicher und würdiger Festakt war.
Wir haben zu danken für die freundliche Begrüßung
und Ansprache vom Vorsitzenden des Vereins „Haus der
Donauschwaben“ Otto Welker. Sie alle haben die Ansprache gehört und
haben den Ehrenhof gesehen. Sie haben die Gelegenheit mit Führung
durch Frau Mojem das Haus zu besichtigen. Diese Maßnahmen sind natürlich
alle mit Kosten verbunden. Zuschüsse von Stadt und Land werden jedoch
immer weniger. Trotz 629 Veranstaltungen im vergangenen Jahr konnten
die Unkosten nicht gedeckt werden. Um unser Weltheimathaus weiter
lebendig zu erhalten, sind wir auf Spenden angewiesen. Dank unserer
Bulkeser Stifter und Spender konnten wir es tun. Nun bitten und hoffen
wir auf weitere allgemeine Zustimmung.
Ein weiteres Dankeschön an die Geschäftsführerin,
Frau Henriette Mojem. Ich sage immer wieder, sie ist die Seele des
Hauses, denn sie hat uns wieder mit Rat und Tat unterstützt, sei es
bei der Programmgestaltung, Zimmerbesorgung, Aufstellung der Vitrinen
oder das Auslegen der Bilder von der Bulkeser Veranstaltung 1993 oder
der Beauftragung der Pianistin bzw. des Trompeters. Deshalb von dieser
Stelle nochmals ein ganz herzliches Dankeschön.
Auch der Familie Weiglein für die Versorgung mit
Speis und Trank sei gedankt. Ein Dankeschön an die Pianistin Olga
Csechlova und den Trompeter Reinhold Lauer.
Nicht weniger danken wir allen Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter dieser Gedenkfeier. Und Eure Anwesenheit liebe
Bulkeser und ganz besonders der jungen Generation, welche mit viel Mühe
und Strapazen bewirkt, ihren Eltern die Teilnahme ermöglichen, stärkt
unsere Gemeinschaft und erneuert den Beweis der Treue zur alten
Heimat. Der Heimatausschuss dankt Ihnen dafür.
Und nicht zuletzt dankt der Heimatausschuss noch
einmal der Vorstandschaft und Geschäftsführung unseres
Weltheimathauses für die bisherige hervorragende Zusammenarbeit und
hofft, dass es auch in Zukunft so bleibt.
Somit ist die Feierstunde mit Totenehrung zu Ende.
Danke für Eure Geduld, ich wünsche nun einen guten Appetit, schöne
Stunden beim gemütlichen Beisammensein und später eine gute
Heimfahrt.
Nach
diesen Schlussworten überreichte Franz Jung an Herrn Otto Welker und
Frau Henriette Mojem kleine Präsente des Dankes.
Während
und nach dem guten Mittagessen wurde ausgiebig miteinander erzählt.
Einige der Bulkeser Teilnehmer waren zum ersten Mal im Weltheimathaus
der Donauschwaben, für sie war es ein ganz besonderes heimatliches
Erlebnis.
Nach dem Mittagessen führte Frau Mojem die etwa
40 Interessierten in einem sehr informativen Rundgang durch das Haus.
Sie waren voll des Lobes über das Gesehene und Gehörte durch unsere
Gastgeberin.
Gegen 15.30 Uhr wurde zum Kaffee und Kuchen
eingeladen. Nach dieser Stärkung begann der Aufbruch zur Heimreise.
Bei vielen wollten jedoch die Gespräche nicht abreißen, sie endeten
zum Teil erst auf dem Parkplatz.
Die Letzten verließen gegen 17.30 Uhr das
freundliche Haus, viele von ihnen mit der Absicht, bei nächster
Gelegenheit wiederzukommen.
Ein letzter Dank gilt allen Beteiligten, unseren Gastgebern Herrn Otto
Welker und Frau Henriette Mojem, dem Wirtsehepaar Weiglein, unseren
Ehrengästen und allen Bulkeser Landsleuten, insbesondere unseren
Nachkommen. Ein jeder und jede hat für sich auf seine/ihre Weise zum
guten Gelingen der Veranstaltung beigetragen.
Es
war ein würdiger Bulkeser Gedenktag, ein weiterer markanter Wegstein,
einer der letzten unserer Bulkeser Geschichte.
Dafür
dürfen wir unserem Schöpfer sehr dankbar sein.
Möge er weiter an unserer Seite bleiben und seine Hand über
uns halten.
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